In 2015 meldete die Inhaberin einer prominenten Künstleragentur den durch ihren Comedian Chris Tall bekannt gewordenen Hashtag #darferdas? u.a. für Bekleidungsstücke an. Nachdem das DPMA und das BPatG die Eintragung der Marke mit der Begründung zurückgewiesen hatten, auf der Vorderseite von T-Shirts angebracht, nehme der Verkehr den Hashtag nicht als Herkunftshinweis, sondern vielmehr als bloße Formulierung einer Frage auf, trat der BGH dem in der Rechtsbeschwerdeinstanz entgegen. So könne das Zeichen etwa auch auf dem eingenähten Etikett von Kleidungsstücken angebracht und dann als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren wahrgenommen werden. Da der BGH aber Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Sichtweise mit den einschlägigen unionsrechtlichen Regelungen hegte, legte er die Sache dem EuGH vor. Der EuGH hat mit Urteil vom 12. September 2019 (C-541/18) entschieden, dass die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens auch unter Berücksichtigung sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke zu prüfen ist. In der betreffenden Branche zwar denkbare, aber praktisch nicht bedeutsame Verwendungsarten seien dabei (weiter) regelmäßig als irrelevant einzustufen.
Ob ein Zeichen Unterscheidungskraft habe, sei laut EuGH anhand seiner Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen. Dabei seien alle relevanten Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen. Der Anmelder einer Marke müsse zum Zeitpunkt seiner Markenanmeldung oder deren Prüfung allerdings weder angeben noch genau wissen, wie er die angemeldete Marke im Fall ihrer Eintragung benutzen werde. Daher könnten sich die zuständigen Behörden für die Bestimmung der wahrscheinlichen Verwendung der angemeldeten Marke – und somit für die Art und Weise, in der die Marke bei Eintragung den maßgeblichen Verkehrskreisen wahrscheinlich präsentiert werden wird – auch an den bisher in der betreffenden Branche üblichen Kennzeichengewohnheiten orientieren. Bei mehreren üblichen Verwendungsarten seien diese jeweils darauf hin zu prüfen, ob der Verkehr das in Rede stehende Zeichen als Marke wahrnehme. In der betreffenden Branche zwar denkbare, aber praktisch nicht bedeutsame Verwendungsarten seien jedoch grundsätzlich als irrelevant einzustufen.
Bisher war die Unterscheidungskraft eines Zeichens nach dem EuGH zu verneinen, wenn die wahrscheinlichste Benutzung der Marke nicht markenmäßig erfolge,selbst wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende andere markenmäßige Benutzungsmöglichkeiten für das Zeichen gab (vgl, EuGH, GRUR 2013, 519 (521) – Deichmann SE, Rn. 55).
Nunmehr erkennt der EuGH aber – dem BGH folgend – an, dass praktisch bedeutsame und naheliegende Benutzungsformen der jeweiligen Branche ebenfalls im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft des Zeichens zu berücksichtigen sind.