Als “europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung” soll das Einheitspatent, oder EU-Patent, dem Patentinhaber einheitlichen Schutz und gleiche Wirkung für das Hoheitsgebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten verleihen. Das Einheitspatent soll es ermöglichen, mit Stellung eines einzigen Antrags beim Europäischen Patentamt, Patentschutz in bis zu 25 EU-Mitgliedstaaten zu erhalten. Ein wesentlicher Vorteil für Anmelder liegt in einem kosteneffizienteren und einfacheren Verfahren.
Die Voraussetzung für das Inkrafttreten der Verordnungen über das EU-Patent ist aber das vorherige Inkrafttreten des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ). Laut Artikel 89 (1) EPGÜ tritt das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht
… am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der dreizehnten Ratifikations- oder Beitrittsurkunde … einschließlich der Hinterlegung durch die drei Mitgliedstaaten, in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten geltenden europäischen Patente gab …
in Kraft.
Die Mitgliedsstaaten mit den meisten geltenden europäischen Patenten im Jahr vor der Unterzeichnung des Übereinkommens (2016) waren die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich.
Frankreich hat seine Ratifizierung 2014 hinterlegt.
In Deutschland passierte das Ratifizierungsgesetz im Jahr 2017 den Bundesrat und den Bundestag mit einfacher Mehrheit. Vor dem letzten verbleibenden Schritt, der Unterzeichnung des Gesetzes durch Bundespräsident Steinmeier wurde jedoch eine Verfassungsbeschwerde erhoben und der Ratifizierungsprozess in Deutschland kam zum Erliegen. Anfang des Jahres 2020 gab das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) der Verfassungsbeschwerde in einem Punkt statt, wonach die Bundesrepublik Deutschland mit der Zustimmung zum Einheitlichen Patentgericht wesentliche nationale Hoheitsrechte, namentlich im Bereich der Judikative, an eine neu zu schaffende, auf Europa- und Völkerrecht beruhende Institution abgäbe und aufgrund solch einer einschneidenden Maßnahmen die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages nötig sei, um das Recht auf demokratische Selbstbestimmung der Bürger zu wahren (vgl. Art. 23 I GG i.V.m. Art. 79 II GG). Der erste Versuch einer Ratifizierung des EPGÜ in Deutschland war somit gescheitert. Ein neues Ratifizierungsgesetz (letztlich unverändert) wurde im November 2020 mit der nötigen Zweidrittelmehrheit vom Bundestag verabschiedet. Die Ausstehende Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes durch den Bundesrat ist für Mitte Dezember geplant und gilt als sicher, jedoch wurden weitere Punkte der Verfassungsbeschwerde 2017 durch das BVerfG offengelassen. Eine neuerliche Verfassungsbeschwerde ist daher nicht auszuschließen.
Im Jahr 2018 ratifizierte das Vereinigte Königreich das Übereinkommen, widerrief die Ratifizierung jedoch aufgrund des BREXITs im Juli 2020. Durch den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union ist es auch kein Mitgliedsstaat im Sinne des Artikel 89 (1) EPGÜ. An die Stelle des Vereinigten Königreichs als eines der Mitgliedsstaaten mit den meisten geltenden europäischen Patenten ist Italien nachgerückt.
Italien hat seine Ratifizierung bereits 2015 hinterlegt.
Es scheint, dass der lange Weg zu einem einheitlichen Patentgericht und somit zum Einheitspatent in greifbare Nähe gerückt ist. Jedoch sind weitere Fragen und Herausforderungen noch zu klären.
In Art. 7 (2) EPGÜ wird London als eines der drei Standorte des einheitlichen Patentgerichts, neben Paris und München, bestimmt. Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU kann London aber kein Standort mehr sein bzw. werden. Bei den Mitgliedsstaaten werden daher Meinungen laut, wonach dies einen Verstoß gegen das EPGÜ darstellt und die bisher hinterlegten Ratifizierungen keine Gültigkeit haben. Die Folge wäre eine nötige neuerliche Ratifizierung des Übereinkommens durch die Mitgliedsstaaten und somit eine weitere Verzögerung. Italien hat sich auf jeden Fall mit Mailand in Stellung gebracht und sieht sich mit den Niederlanden als Mitstreiter um den möglichen dritten Standort konfrontiert.
Um keine zusätzlichen Hürden und weitere Verzögerungen für den Start des einheitlichen Patentgerichts zu schaffen, herrscht eine breite Einigung bei den Mitgliedsstaaten darüber, die Zuständigkeiten anfangs auf Paris und München zu verteilen und „zu gegebener Zeit“ den dritten Standort zu bestimmen.
Es bleibt somit spannend und noch abzuwarten, ob aus heutiger Sicht mit allen Vorbereitungen und letzten zu klärenden Punkten sich ein Start des einheitlichen Patentgerichts und des Einheitspatents im Frühjahr 2022 ausgehen wird.
Marko Brumnik, Patentanwaltskandidat
Alexander Schmidt, Patentanwalt
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